Gaismairs Traum

Gaismairs Traum

Der legendäre Tiroler Hauptmann Michael Gaismair stritt für eine freie Bauernrepublik. 1532 wurde er auf Geheiß der Habsburger ermordet.

Am 26. März 1525 geht das erste Schloss in Flammen auf. Geplündert und dann angezündet hat es der Baltringer Haufen, in dem Rebellen aus ganz Oberschwaben zusammengefunden haben. Von Schloss Schemmerberg bei Biberach, bis dahin stolzer Besitz des mächtigen Klosters Salem, bleibt nur eine Ruine. Sie markiert den Beginn des deutschen Bauernkriegs.

 Zunächst hatte man es auf friedlichem Weg versucht. In die Freie Reichsstadt Memmingen waren Bauerndelegierte aus allen Teilen Süddeutschlands geströmt, um ihre Beschwerden gegen Adel und Klerus zu Papier zu bringen. Heraus kamen die Zwölf Artikel, durch Bibelzitate untermauert und an die beiden höheren Stände adressiert: Die Leibeigenschaft sollte aufgehoben und gerichtlicher Willkür durch eine feste Buß- und Gebührenordnung ein Riegel vorgeschoben werden. Die Pfarrer sollten von der Dorfgemeinschaft gewählt und Frondienste und Abgaben reduziert werden, auch freies Jagen und Fischen erlaubt sowie Wald und Weide für alle zugänglich sein.

Zwar hatten die Bauern in ihrer Schrift auf eine Gewaltandrohung ausdrücklich verzichtet. Dennoch stellten ihre Forderungen eine Kampfansage dar. Wären sie erfüllt worden, hätten sich Klerus und Adel von der Macht verabschieden müssen. Das sah auch Martin Luther so. Der Wittenberger wollte seine reformatio, seine Erneuerung, auf das Religiöse beschränkt wissen. Das biblische Gewand, in dem die Zwölf Artikel steckten, wurde ihm zum roten Tuch – auch wenn er manche Forderung gerecht fand. »Aber den christlichen Namen«, wandte er sich an die Bauern, »den lasst stehen und macht ihn nicht zum Deckmantel eures ungeduldigen, unfriedlichen, unchristlichen Unternehmens.«

Bald brennen nicht nur Burgen, Schlösser und Klöster. Städte werden eingenommen, Adlige und hohe Geistliche zum Teufel gejagt. Und nicht nur in Süd- und Mitteldeutschland – auch in der fürstlichen Grafschaft Tirol beginnt der Kampf.

Das Alpenland war ein fortschrittlicher Staat innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, mit früh entwickelter Industrie, aufstrebenden Städten, einem beachtlichen Bürgertum und mehrheitlich freien Bauern. Im 15. Jahrhundert hatte sich die Region zum weltgrößten Silber- und Kupferproduzenten entwickelt, und aus dem kleinen Innsbruck war eine respektable Hauptstadt geworden.

Tiroler Arbeiter verdienten gut, Tiroler Bürger und Bauern fühlten sich beschützt: Sie beriefen sich auf eine Landesordnung, die es den höheren Ständen sehr schwer machte, ihre Freiheit und ihren Besitz anzutasten. Solche Rechte garantierte ein Souverän, der großes Interesse an einem Gleichgewicht der Kräfte zwischen Klerus, Adel, Stadt- und Ackerbürgern besaß.

Reisenden in Tirol fielen die saftigen Weiden und fruchtbaren Äcker auf. Auch die Ausstattung der bäuerlichen Wohnhäuser ließ auf Wohlstand schließen. Aus diesem Milieu, aus einer gut situierten Familie im Bergdorf Tschöfs bei Sterzing, stammte Michael Gaismair. Geboren um 1490 als zweiter Sohn, durfte er zwar nicht den Hof übernehmen. Dafür stand ihm die Lateinschule und später die Akademie offen. An der berühmten Universität in Padua studierte er die Rechte.

Erstmals öffentlich in Erscheinung tritt Gaismair 1512. Er ist nun wahrlich kein Bauer mehr, sondern ein studierter Herr. Im Nordtiroler Bergbauzentrum Schwaz stellen ihn die Fugger, denen der hoch verschuldete österreichische Erzherzog Sigismund bereits 1488 seine Gruben überschrieben hat, als Sekretär ein. An seinem neuen Arbeitsplatz erlebt Gaismair einen Streit zwischen Bergwerksleitung und Grubenarbeitern. Den Bergmännern wird das Durchkämmen von Abraum und stillgelegten Minen, ein willkommenes Zubrot, verboten. Als sie auch noch die vereinbarten Löhne nur mit Verzögerung erhalten, ist das Maß für die Knappen voll. Sie bitten Gaismair, einen Beschwerdebrief an den Innsbrucker Hof aufzusetzen. Das Schreiben nutzt nicht viel, doch bleibt Schwaz ein Unruheherd, ebenso wie das Südtiroler Bergbauzentrum um Sterzing.

Danach hören wir längere Zeit nichts mehr von Gaismair. Erst im Jahr 1518 findet sich seine Spur wieder, diesmal südlich des Alpenkamms, in der Burg Prösels im Grödnertal, die einstmals dem Dichter Oswald von Wolkenstein gehört hat. Dort sitzt der Landeshauptmann an der Etsch, Südtirols höchster Beamter, Leonhard von Völs. Er hat offensichtlich Gefallen am neuen Schreiber gefunden und nimmt ihn auch auf seinen Reisen mit.

Gaismair erlebt ein Land im Niedergang. Schuld ist die Misswirtschaft des Herrschers. Maximilian, Nachfolger Sigismunds in Tirol und später als Maximilian I. (»der letzte Ritter«) deutscher Kaiser, fehlt das Geld. Der Ausbau Innsbrucks und eine aufwendige Hofhaltung verschlingen Unsummen. Als er 1519 stirbt, hinterlässt er einen riesigen Schuldenberg. Den erbt Enkel Ferdinand, als österreichischer Erzherzog offiziell nur Statthalter des älteren Bruders Karl. Dieser folgt als Karl V. Großvater Maximilian auf den Kaiserthron.

Aus der wirtschaftlichen wird eine politische Abhängigkeit. Ohne die Rückendeckung von Adel und Klerus, denen er Geld schuldet, und dem im Tiroler Bergbau engagierten Augsburger Bank- und Handelshaus Fugger, bei dem er sich neues leiht, kann Ferdinand den Ständestaat Tirol nicht regieren. Folglich muss er fremde Interessen bedienen – zum Schaden seiner ursprünglichen Klientel, der Städter, Knappen und vor allem der Bauern.

 Anlass für deren Proteste sind neben der willkürlichen Aneignung von Gemeindewald und weide durch Angehörige der höheren Stände auch Fischerei, Jagd- und Holzschlagverbote. Der Brixener Fürstbischof Sebastian Sprenz bringt überdies die Städter im Allgemeinen und die Anhänger von Luthers Lehre im Besonderen gegen sich auf: mit dem Entzug politischer Mitspracherechte der Bürger und der Ausweisung protestantischer Prediger. Dem Landeshauptmann an der Etsch obliegt es, einen Sturm von viertausend Aufsässigen auf den Bischofssitz zu vereiteln, was ihm durch brutale Mittel auch gelingt.

Auch zu solchen Einsätzen nimmt Landeshauptmann Völs seinen Schreiber mit. Gaismair weiß mit Pferden und Waffen umzugehen, gegen seinen Dienstherrn verhält er sich loyal. Die Beflissenheit ist so ausgeprägt, dass der junge Jurist sogar in den Offiziersrang aufrückt. Der militärischen Laufbahn scheint nichts im Weg zu stehen. Gaismair heiratet. Seine Braut, Magdalena Ganner, stammt aus der Nähe von Brixen, ebenfalls aus einer wohlhabenden Bauernfamilie. Die Ehe wird mit vier Kindern gesegnet.

Doch im siebten Jahr beim Landeshauptmann erleidet Gaismairs Karriere einen jähen Bruch. Dabei hat er nichts anderes getan als Kollegen in vergleichbarer Position: Einen Teil des Geldes, das für den Ankauf von Söldnern bestimmt war, hat er in die eigene Tasche wandern lassen. Dass er mehr fürs Erwischtwerden bestraft wird, steigert nur seinen Unmut.

 Gaismair wird degradiert und versetzt. Zu Beginn des Jahres 1525 kommt er in die Kanzlei des Erzbischofs von Brixen. Dort bekleidet der Ex-Hauptmann den untersten Posten und darf allenfalls Abschriften anfertigen. Bei dieser Arbeit erhält Gaismair Einblick in einen Rechtsstreit zwischen seinem Dienstherrn, Bischof Sebastian Sprenz, und einem besonders renitenten Schaf aus dessen Herde. Dem Fischer Peter Pässler ist – aus nicht mehr zu klärenden Gründen – das Fangrecht entzogen worden. Doch nicht nur dagegen lehnt er sich auf. Pässler sagt sämtlichen Gegnern die Fehde an. Das Faustrecht, in Tirol noch häufig praktiziert, ist unter Strafe verboten. Pässler wird gefasst. Ein dem Bischof höriges Geschworenengericht verurteilt ihn zum Tode; die Hinrichtung ist für den 9. Mai 1525 angesetzt.

Adel und hoher Klerus sind abgeschafft, das Bürgertum soll verschwinden

Der Vorgang landet zur gefälligen Kopie auf Gaismairs Pult. Der Hilfsschreiber indes nimmt sich nicht nur des eigentlichen Auftrags an. Auch in der Sache macht er sich kundig. Am 9. Mai wird er zur Richtstätte beordert. Sprenz selber ist nicht anwesend. Er fürchtet Proteste. Doch kaum ist die Stunde der Hinrichtung verstrichen, erreicht den fürstlichen Gottesdiener eine bittere Nachricht aus der Feder Gaismairs: Das Urteil konnte gar nicht vollstreckt werden – Pässler ist entkommen. Er wurde befreit.

Und mehr noch: Ein neuer Aufstand ist losgebrochen, loyale Truppen fliehen. In den nächsten Tagen werden neben der Brixener Hofburg die Häuser reicher Adliger und hoher Kleriker geplündert. Auch Gaismair, dem seine Erfahrungen und Erlebnisse in der erzbischöflichen Kanzlei die Augen geöffnet haben, ist jetzt unter den Aufrührern, ja führt sie schon an. Wie Franz Premenstainer, Dekan des reichen, verhassten Klosters Neustift nahe der Stadt, beschreibt, »versammelten sich aus den Gerichten an Eisack und Rienz mehrere Scharen aus der übelsten Hefe, wozu noch einige Bürger aus dem Brixener Rat hinzustießen; diese kamen mit dem genannten Gaismair auf einem Feld in Milland bei Brixen zusammen, marschierten bewaffnet zu 5000 Mann in die Stadt Brixen, plünderten dort einige Klerikerhäuser und kehrten mit reicher Beute beladen zurück«. Am Abend »kam ein vor Neid und Bösartigkeit platzender Mann, der Brixener Bürger Peter Lanz, auf den Einfall, unser Kloster anzugreifen. Diesem Plan stimmten die Aufständischen zu.«

Es ist tatsächlich ein Plan, den Gaismair nach Lanz’ Idee ausgearbeitet hat. Inzwischen ist er wieder in den Rang eines Hauptmanns aufgerückt – die Aufständischen haben ihn dazu ernannt. Anders als die meisten von ihnen verfügt er über militärische Kenntnisse.

Das verhasste Kloster ist leichte Beute. Der Raubzug bringt 24000 Gulden für die Kriegskasse. Zum Vergleich: Ein Handwerker in Neustift verdient einen Gulden in zehn, ein Heuknecht in zwanzig, ein Tagelöhner, ein Dienstbote oder eine Magd in dreißig Tagen.

Pässlers Befreiung und die Plünderung Neustifts wirken wie ein Fanal. Vor allem in Südtirol fallen Burgen, Schlösser und Klöster in die Hände der Aufrührer. Bischof Sprenz flieht; er stirbt im Herbst 1525 in Bruneck. In Innsbruck vernimmt der Erzherzog die neue Entwicklung mit gemischten Gefühlen: Sosehr sich Ferdinand im Stillen über den Machtverlust von Adel und Klerus freut, so muss er doch die renitenten Bauern und Städter fürchten. Denn werden sie vor der Hofburg haltmachen? Was soll er tun? Zu den Waffen greifen? Seine wehrpflichtigen Tiroler Bauern sind gerade anderweitig beschäftigt, und für eine schlagkräftige Söldnerarmee fehlt ihm das Geld. Aus Süddeutschland kann niemand zu Hilfe eilen, auch dort ist der Bauernaufstand jetzt in vollem Gange.

Ferdinand spielt auf Zeit. Er beruft einen Landtag ein, der vom 12. Juni bis zum 21. Juli in Innsbruck zusammenkommt. Auf ihn setzen die Aufständischen ihre Hoffnung. Vierzig Tage lang wird in Tirols Hauptstadt europäische Politik gemacht. Gesandte aus allen Teilen des Reiches, aus der Schweiz, aus Norditalien, aus Frankreich und aus Spanien strömen nach Innsbruck. Alle Stände außer einem sind auf dem Landtag vertreten: Der Klerus muss draußen bleiben. Einzelne Männer des hohen Adels teilen dieses Schicksal.

Dafür erscheinen allein 200 Bauerndelegierte. Gleichwohl handelt es sich, mitten in der Saison, nur um Landwirte, die so begütert sind, dass sie ihren Hof auch mal sechs Wochen lang einem Großknecht anvertrauen können. Von den Städtern reisen in erster Linie Honoratioren und wohlhabende Bürger an.

Am Ende des Landtags ist es Ferdinand gelungen, einen Keil in die Opposition zu treiben – mit Zugeständnissen speziell an die Besserverdienenden. Gaismair sieht sich in seiner Skepsis bestätigt, die er von Anfang an hegte. Obwohl von Ferdinand als wichtigster Verhandlungspartner angesehen, ist er in Brixen geblieben, um den eroberten Bischofssitz zum Stützpunkt auszubauen. Wie ein echter Condottiere kauft er mit dem geraubten Neustifter Vermögen Söldner.

Schließlich gelingt es Ferdinand doch noch, Gaismair nach Innsbruck zu locken. Aber statt am Verhandlungstisch landet der Rebell im Gefängnis. Zu diesem Zeitpunkt – Oktober 1525 – ist der Bauernaufstand in weiten Teilen des Reichs bereits zu Ende. In den Alpen legt er eine Pause ein, bevor er im Folgejahr, vor allem im Land Salzburg, mit neuer Heftigkeit weitergeht.

Und Gaismair ist wieder dabei. Aus der Innsbrucker Haft gelingt ihm die Flucht in die Schweiz. Dort nutzt er den Augenblick, um seine politischen Ideen niederzuschreiben. In Klosters unterhalb von Davos entwirft er ein Programm, das als Gaismairs Zweite Landesordnung bekannt wird – eine erste, weniger radikale Fassung hat er während der Besetzung Neustifts den dort Versammelten vorgetragen.

In Gaismairs Verfassungsentwurf wird die Regierung unmittelbar vom Volk gewählt. Demokratisch im heutigen Sinne geht es allerdings nicht zu: Für eine Opposition ist kein Platz. Der Adel ist abgeschafft, ebenso der Klerus – mit Ausnahme der Dorfpfarrer und der Lehrer einer in Brixen zu gründenden theologischen Hochschule. Auch das Bürgertum soll verschwinden, die Macht der Städte gebrochen werden. Ein Herrscher aus dem Hause Habsburg ist in dieser Gesellschaft von Gleichen ebenfalls nicht mehr vorgesehen. Gaismair will seine Heimat Südtirol in eine reine Bauernrepublik umwandeln. Immerhin sieht sein Entwurf die Unabhängigkeit der Justiz vor: Richter und Geschworene sollen von den Gemeinden jedes Jahr aufs Neue gewählt werden. Eigentum, eigenes Land, darf ein jener haben, aber nur so viel, wie er selbst bebauen kann; der verbleibende Grund wird Gemeineigentum. Die Bauern müssen sich selbst versorgen sowie (durch Zahlung des Zehnten) die Pfarrer und die Bedürftigen. Die Wirtschaft soll zentral gelenkt werden, auch der Handel. Die Bergwerke bescheren dem Staat seine Haupteinnahmen. Burgen sind zu schleifen, Städte in Dörfer zurückzuverwandeln. Handwerker dürfen nur an einem Ort, in Trient, leben und arbeiten. Ihre Produkte sollen zum Herstellungspreis in staatlichen Geschäften verkauft werden, sie selbst Beamtenstatus erhalten.

Es ist ein seltsames Gemisch aus frühmodernen und antimodernen Vorstellungen. Gaismair beruft sich dabei nicht auf philosophische oder staatstheoretische Abhandlungen, sondern auf die Bibel. Wer sich in »Gaismairs Land« – so des Urhebers bescheidene Formulierung – niederlassen will, muss zuvor »schwörn, Leib und Gut zusammensetzen, voneinander nit weichen, sonder miteinander heben und legen, doch allzeit nach Rat zu handlen, eur furgesetzten Öbrigkeit treu und gehorsam zu sein und in allen Sachen nit eignen Nutz, sonder zum ersten die Ehr Gottes und darnach den gemeinen Nutz zu suchen«.

Der Versuch, den Kampf in Südtirol 1526 wiederaufzunehmen, scheitert; dabei wird Gaismairs Bruder Hans gefangen gesetzt, gefoltert und auf Innsbrucks Marktplatz hingerichtet. Währenddessen beginnt es im Salzburger Land zu rumoren. Ein Bauernheer belagert Erzbischof Matthäus Lang in dessen Festung Hohensalzburg, doch Truppen des Schwäbischen Bundes kommen ihm zu Hilfe. Gaismair eilt aus der Schweiz herbei und übernimmt die Führung der Aufständischen. An seiner Seite kämpft ein alter Bekannter: Peter Pässler.

Venedig bezahlt ihn gut – bei Padua kauft er sich ein Landhaus

Die Entscheidung fällt vor dem Ort Radstadt, südöstlich von Salzburg. Oberhalb der Enns gelegen und durch eine starke Befestigung geschützt, kann man von dort aus die Passstra??e über die Tauern kontrollieren. Am 14. April beginnt die Belagerung. Doch fehlen den Angreifern Geschütze, die stark genug wären, Breschen in die Mauern zu schießen. Auch schlagen sämtliche Versuche fehl, Besatzung und Bevölkerung auszuhungern. Ein Entsatzheer des Schwäbischen Bundes kann zwar zurückgedrängt werden, doch muss Gaismair die Belagerung Anfang Juli endgültig abbrechen. Damit endet der letzte Bauernaufstand im Reich.

Gaismair und Pässler retten sich mit 1500 Gefolgsleuten in die Republik Venedig, damals einer der erbittertsten Feinde Habsburgs. Im Heer der Serenissima setzen sie ihren Kampf gegen Ferdinand und für eine Befreiung Tirols von dessen Herrschaft fort.

Ferdinand, um die Heimat fürchtend und Expansionspläne in Richtung Böhmen und Ungarn im Sinn, geht nun gezielt gegen seine abtrünnigen Untertanen vor. Er setzt eine Summe von 200 Gulden auf Pässlers Kopf aus. Gaismair ist ihm noch mehr wert. In einem Schreiben Ferdinands an Anton Fugger, das in einem Innsbrucker Archiv schlummert, heißt es, dass »der ain tausennt gulden reinisch halben, so dem, der den Gaißmair erlegt, betzalt werden sollen«.

Der fürstliche Aufruf findet Gehör. 1527 fällt Pässler in Venzone im Friaul einem gedungenen Mörder zum Opfer. Gaismair aber gibt nicht auf. Er hält Verbindung zu Ulrich Zwingli in Zürich, auch der Kampf der Florentiner gegen die Medici und für eine freie Stadtrepublik interessiert ihn. Er agitiert weiter gegen Ferdinand, selbst als dieser Anfang 1531 – Bruder Karl hat auf den deutschen Thron verzichtet – zum Römischen König gewählt wird.

Gaismair lebt inzwischen, großzügig alimentiert von der venezianischen Regierung, mit den Seinen in Padua, in einem Palais der Florentiner Familie Strozzi, die eine erbitterte Gegnerin der Medici-Herrschaft ist. In den Euganeischen Hügeln erwirbt er nahe Montegrotto ein Landhaus, die Villa Draghi, die heute noch existiert. Immer wieder gibt es Anschläge auf ihn. Einer, ausgeführt am 15.April 1532 in Padua, hat schließlich Erfolg: Von drei Männern wird er überwältigt und erstochen.

Ob die Mörder die Belohnung für ihre Tat aus Fuggers Hand erhielten, ist nicht bekannt. Als Ferdinand viel später Karl auch auf den Kaiserthron folgte, war längst Gras über die Affäre Gaismair gewachsen. Nicht einmal ein Porträt des Bauernführers hat sich erhalten. Und doch blieb und bleibt die Erinnerung an Michael Gaismair, den Kämpfer für eine gerechtere Welt, nicht nur in Tirol lebendig.